
Kronen Zeitung
CHEFS ÜBER DIE TRIKOTS
Ein EURO-Goldschatz von über zwei Tonnen
Über zwei Tonnen Gepäck, für jeden Spieler vier bis fünf Garnituren an Schuhen und Trainingsanzügen, logistisch ein Großprojekt – aber dank ihrer Routine sind Österreichs Equipment-Manager Jovo Marjanovic und Walter Lachnit bereit für ihre EURO-Mission. Und ausgerüstet bis zum Finale am 14. Juli. „Ich sage: Wir werden Europameister“, lacht Lachnit optimistisch. Allerdings wird er, obwohl im Stadion, kein Spiel sehen können …
„Ich muss ja jeden Buchstaben einzeln auflegen, es ist vorher niemandem aufgefallen“, kann Jovo Marjanovic heute über die Trikot-Panne lachen. Vor dem Quali-Spiel gegen Belgien im Oktober wollte Florian Grillitsch plötzlich mit einem Trikot in Größe Medium einlaufen. Large war vorbereitet. Kein Problem. Die „Presse“, eine Beflockungsmaschine, ist ja immer dabei. Nur ging Marjanovic ein L durch die Lappen, so lief der Hoffenheim-Legionär als Grilitsch auf dem Rücken auf. Kein Drama. „Und beim Flug von Schweden auf die Färoer ist die Hälfte des Gepäcks verloren gegangen, mussten wir mit der schmutzigen Wäsche trainieren“, lacht der gebürtige Bosnier. Die einzigen zwei Hoppalas aus über einem Jahrzehnt beim ÖFB. Das Duo hat seinen Laden im Griff. Obwohl er immer größer wird …
300 bis 400 paar Schuhe und Schlapfen
… vor allem bei der EURO. Noch vor dem finalen Schweiz-Test wurden die Schwer-Transporter Richtung Berlin geschickt. Der Inhalt ist nur schwer genau zu beziffern. Rund 60 Bälle, 300 bis 400 paar Schuhe und Schlapfen, Winter- und Regenjacken, 500 Shirts, Handtücher, Socken etc. „Bei einem normalen Lehrgang sind es schon zwei Tonnen, bei der EURO noch mehr“, kann Marjanovic das Gesamtgewicht nur schätzen. Der gebürtige Bosnier, seit 20 Jahren beim ÖFB, ist beim A-Team der Herr über die Schuhe, dem wichtigsten Utensil. „Zwei Paar Stollen und zwei Paar Noppen hat jeder mit. Mindestens“, erzählt der 57-Jährige. „Ich kenn von jedem Spieler die Schuhgröße.“ So kann er nach dem Hand-Waschgang schnell die Treter richtig zuordnen. Oder wenn es im Spiel schnell gehen muss. Wie zuletzt bei Laimer in Bratislava.
Die Spieler müssen – zumindest bei der Ausrüstung – an nichts denken. Im Schlosshotel wird ein Seminarraum zum „Kit-Room“ umfunktioniert, da holen sich Arnautovic und Co, aber auch der riesige Statt (Trainer, Physios etc.) jeden Morgen ihre ÖFB-Kleidung für den Tag ab. Je nach Anlass. Immer frisch gewaschen. Das Service übernimmt das Hotel. Lachnit, seit zwölf Jahren beim ÖFB, schupft die Organisation, richtet das Gewand her. Bei der EURO doppelt. UEFA-Vorschrift.
„Man muss ein bisschen verrückt sein“
„In den Stadien dürfen wir unsere Sponsoren ja nicht zeigen“, erzählt der 56-Jährige. „Beim Training schon.“ Für das Duo, früher gemeinsam Trainer bei Admira Technopol im Wiener Unterhaus, nicht neu. „Es ist unsere dritte EURO, ich bin richtig aufgeregt“, freut sich Lachnit. Marjanovic ist sogar schon seit der Ära-Krankl dabei. Er nennt das Halbfinale als Ziel. Lachnit grätscht dazwischen: „Wir werden Europameister.“ Einziger Haken: Er wird kein einziges Spiel der ÖFB-Truppe live sehen. „Jovo ist auf der Bank, ich bin in der Kabine, bereite alles vor, damit wir nach dem Spiel schnell wieder wegkommen.“
Keine unnötige Strapaze oder Verzögerung für die Spieler. Daher nimmt Lachnit seinen undankbaren Katakomben-Platz in Kauf: „Als Zeugwart muss man auch ein bisschen verrückt sein. Am Anfang war es schwer. Aber jetzt ich bin immer dankbar, wenn es in der Kabine einen Fernseher gibt, ich die Partie sehen kann. Oft weiß ich sonst ja gar nicht, wie es steht.“ Umso mehr ist es für Lachnit Pflicht, nachher die Partie in voller Länge anzuschauen: „Auch wenn ich das Ergebnis schon kenne, aber sonst kann ich ja nicht mitreden.“
Das Duo ist perfekt eingespielt: „Unser Service ist Standard“, ist Marjanovic überzeugt. „Bei anderen Nationen haben sie vier Leute oder mehr für den Job.“ Klar, weil am Matchtag die Kabine schon vier, bis fünf Stunden vor dem Anpfiff hergerichtet werden muss, aber man auch im Mannschaftshotel gefordert ist. Spezielle Wünsche gibt es immer wieder. Namen werden keine genannt. Aber wenn ein Goalie bis zu zehn paar Handschuhe bei der EURO mit hat, wird klar, wie wichtig jedes Detail ist.
Allen voran bei den Trikots. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich schon von Freunden und Fans um Dressen gefragt wurde“, lacht Marjanovic. Er musste aber immer abwinken. Pro Spiel gibt es pro Kicker drei Trikots. „Zwei darf er behalten, eines als Reserve. Ich habe noch nie ein Trikot zurückbekommen.“ Weil es die Spieler tauschen, verschenken oder selbst als Erinnerung aufheben. Für jeden Fan ist das Stück Stoff ja ein Goldschatz. Egal ob mit oder ohne L. Der Grilitsch-Zwirn aus dem Belgien-Spiel hat daher auch schon Kultcharakter.
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